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#Gesundheitskollaps – Protestaktion am 1. November 2023

kvt/tav Mehr als 800 Ärzte, Zahn­ärzte, Psy­cho­the­ra­peu­ten, Apo­the­ker und ihre Teams haben am 1. Novem­ber 2023 vor dem Thü­rin­ger Land­tag in Erfurt gegen den Abbau der ambu­lan­ten Ver­sor­gung demons­triert. Sie kri­ti­sie­ren, dass Poli­tik und Kran­ken­kas­sen die ambu­lante Ver­sor­gung aus­trock­nen las­sen. Wäh­rend Pra­xen und Apo­the­ken ein Spar­kurs auf­ge­zwun­gen wird, ver­spricht die Poli­tik den Men­schen in Deutsch­land immer mehr Leis­tun­gen. Dabei ste­hen den Heil­be­ru­fen noch nicht ein­mal genü­gend Finanz­mit­tel und Res­sour­cen zur Ver­fü­gung, um über­haupt den gesetz­lich vor­ge­schrie­be­nen Ver­sor­gungs­um­fang zu erfül­len. Eine über­bor­dende Büro­kra­tie und Digi­ta­li­sie­rung mit man­gel­haf­ten Pro­duk­ten kos­ten zusätz­lich Zeit, die für die Pati­en­ten­be­hand­lung fehlt. Schon heute finden viele Pra­xen keine Nach­fol­ger oder Fach­per­so­nal mehr. Pati­en­ten müs­sen lange nach einem (Zahn-)Arzt suchen, der sie auf­nimmt. Apo­the­ken schließen.

Sowohl die Thü­rin­ger Gesund­heits­mi­nis­te­rin Heike Wer­ner als auch die gesund­heits­po­li­ti­schen Spre­cher aller Par­teien im Thü­rin­ger Land­tag hat­ten sich dem Dia­log gestellt. Die Ver­tre­ter der Heil­be­rufe und ihre Teams for­dern ein sofor­ti­ges Umden­ken der Poli­tik und mehr Aner­ken­nung, denn die Zukunft der wohn­ort­nahe ambu­lan­ten Ver­sor­gung der Pati­en­ten im Frei­staat ist akut bedroht.

So fand Han­ne­lore König, Prä­si­den­tin Ver­band medi­zi­ni­scher Fach­be­rufe, deut­li­che Worte: „Die ambu­lante Ver­sor­gung mit den mehr als 680.000 Beschäf­ti­gen in den Apo­the­ken, Arzt- und Zahn­arzt­pra­xen – davon allein 14.000 in Thü­rin­gen – wird von den poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen nicht wahr­ge­nom­men, weil sie bis­her immer funk­tio­niert hat. Jetzt hat sich die Situa­tion geän­dert: Der Fach­kräf­te­man­gel ist deut­lich spür­bar, die Belas­tung der dort Beschäf­tig­ten und die chro­ni­sche Unterfinan­zie­rung des Sek­tors hat ihre Gren­zen erreicht. Statt Stär­kung als Gesund­heits­be­rufe gab es neue Spar­ge­setze und noch mehr Büro­kra­tie. Ohne Unter­stüt­zung durch die Politiker*innen – auch in den Lan­des­re­gie­run­gen – wird sich das unmit­tel­bar auf die Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung aus­wir­ken. Bud­ge­tie­rung gefähr­det die ambu­lante Ver­sor­gung und Arbeits­plätze in den Teams der Apo­the­ken, Arzt- und Zahn­arzt­pra­xen. Es geht nicht um Almo­sen, son­dern um eine gerechte
Ent­loh­nung groß­ar­ti­ger Leistungen.“

Dr. med. Ulf Zit­ter­bart, Vor­sit­zen­der des Thü­rin­ger Haus­ärz­te­ver­ban­des zeigte sich alar­miert: „In Gera und Umge­bung erle­ben wir bereits jetzt, bei 14 feh­len­den Hausärzt*innen, wie Men­schen ver­zwei­felt nach ärzt­li­chem Bei­stand suchen. 14 feh­lende Ärzt*innen bedeu­ten dort für etwa 22.400 Men­schen kei­nen Anlauf­punkt für akute und chro­ni­sche Beschwer­den im haus­ärzt­li­chen Bereich zu haben. Wo sonst Hilfe geleis­tet wird, erfol­gen nun Not­ver­sor­gung, ret­tungs­dienst­li­che Ein­sätze oder Zuwei­sung in über­füllte Kran­ken­häu­ser. Wir for­dern ein Umden­ken der Poli­tik mit För­de­rung der ambu­lan­ten Pra­xis-Teams, eine am Bedarf ori­en­tierte Steue­rung der Ver­sor­gung und die stär­kere Ori­en­tie­rung auf gesund­heit­li­che Primärversorgung.“

Ste­fan Fink, Vor­sit­zen­der Thü­rin­ger Apo­the­ker­ver­band, machte deut­lich: „Die wirt­schaft­li­che Lage vie­ler Apo­the­ken ist auf­grund der seit zehn Jah­ren unter­las­se­nen Hono­rar­an­pas­sun­gen durch die Poli­tik, des Betriebs­kos­ten­an­stie­ges und der Erhö­hung des Apo­the­ken­ab­schla­ges in 2023 kata­stro­phal. Ein Drit­tel der Apo­the­ken sind Stand heute in ihrem Bestand wirt­schaft­lich gefähr­det. Elf Pro­zent schrei­ben sogar rote Zah­len und sind in ihrer Exis­tenz akut bedroht. Wir for­dern eine ent­spre­chende Erhö­hung unse­rer Hono­rie­rung für eine aus­kömm­li­che Ver­gü­tung unse­rer Leistungen!“

Dr. med. Sabine Köh­ler, Vor­sit­zende der Gemein­schaft Gebiets­ärzt­li­che Berufs­ver­bände Thü­rin­gen, bedau­erte: „Vor einem Jahr haben wir schon ein­mal die Sor­gen und Nöte der Ärzte, Zahn­ärzte, Psy­cho­the­ra­peu­ten und Apo­the­ker vor den Thü­rin­ger Land­tag gebracht. Getan hat sich seit­dem nichts. Wäh­rend wir wei­ter auf die neue Nie­der­las­sungs­för­de­rung des Lan­des war­ten, ver­schär­fen sich die Ver­sor­gungs­pro­bleme. Das Ster­ben von Apo­the­ken und Pra­xen nimmt zu. Neh­men Sie end­lich unsere Pro­bleme ernst. Unter­stüt­zen Sie uns beim Erhalt und der Wei­ter­ent­wick­lung trag­fä­hi­ger Ver­sor­gungs­struk­tu­ren durch Ver­trags­ärzte, Zahn­ärzte und Apo­the­ker mit ihren Teams! Sonst droht ein Gesund­heits­kol­laps in Thüringen.“

Auch Dr. med. Denise Lun­ders­hau­sen, stell­ver­tre­tende Vor­sit­zende Gemein­schaft Gebiets­ärzt­li­che Berufs­ver­bände Thü­rin­gen, legte den Fin­ger in die Wunde des Gesund­heits­sys­tems: „Die Zahl offe­ner Arzt­sitze in Thü­rin­gen zeigt: Es ist weit nach 12! Wenn sich junge Medi­zi­ner nicht mehr für die Nie­der­las­sung inter­es­sie­ren, stim­men die Rah­men­be­din­gun­gen nicht. Wer geht schon noch das finan­zi­elle Risiko einer eige­nen Nie­der­las­sung ein, wenn es keine klare finan­zi­elle Grund­lage mehr gibt? Der Kos­ten­an­stieg in den Pra­xen hat die Ent­wick­lung der Ver­brau­cher­preise in den letz­ten Jah­ren um das Drei­fa­che über­schrit­ten. Die Büro­kra­tie nimmt zu. Digi­tale Anwen­dun­gen erschwe­ren die Arbeit, statt sie zu erleich­tern. Nie­der­las­sung muss wie­der ein­fa­cher wer­den, wenn wir Nach­wuchs für unsere Pra­xen gewin­nen möch­ten. 18 Mil­lio­nen Behand­lungs­fälle allein in Thü­rin­gen pro Jahr zei­gen: Ohne die wohn­ort­na­hen ambu­lan­ten Pra­xen bricht die Gesund­heits­ver­sor­gung zusammen.“

Dr. med. dent. Knut Karst, Vor­sit­zen­der Kas­sen­zahn­ärzt­li­che Ver­ei­ni­gung Thü­rin­gen, und Dr. med. dent. Chris­tian Junge, Prä­si­dent Lan­des­zahn­ärz­te­kam­mer Thü­rin­gen fühl­ten der Poli­tik auf den Zahn: „In Thü­rin­gen ist die flächen­de­ckende zahn­ärzt­li­che Ver­sor­gung ernst­haft gefähr­det. Jähr­lich gehen 50 bis 70 Zahn­ärzte ohne Nach­fol­ger aus der Ver­sor­gung. Für ihre Pati­en­ten heißt dies, eine Betreu­ung in den übri­gen schon über­füll­ten  Pra­xen zu orga­ni­sie­ren. Bei einem Betreu­ungs­schlüs­sel von 1.600 Pati­en­ten pro Zahn­arzt betrifft dies bis zu 100.000 Pati­en­ten jedes Jahr, wel­che plötz­lich kei­nen Zahn­arzt mehr haben. Dies stellt kein ein­ma­li­ges Ereig­nis dar, da schon mehr als 500 unse­rer 1500 Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen  das. 60 Lebens­jahr über­schrit­ten haben. Dem gegen­über ste­hen weni­ger als 600 unter 55 Jah­ren, wel­che die Ver­sor­gung in Zukunft allein stem­men sol­len? Damit ist klar, dass es sich nicht mehr nur um wohn­ort­nahe Ver­sor­gung in länd­li­chen Gebie­ten han­delt. Das Pra­xis­ster­ben wird auch in den Städ­ten ankom­men. Zusätz­lich schwächt das ver­ant­wor­tungs­lose Kaputt­spa­ren sogar bei drin­gend not­wen­di­gen Behand­lun­gen die Thü­rin­ger Zahn­arzt­pra­xen. Aber nur wenn unsere Pra­xen attrak­tive Arbeit­ge­ber blei­ben, hat unser gut aus­ge­bil­de­tes und moti­vier­tes Assis­tenz­per­so­nal eine sichere Zukunfts­per­spek­tive hier im Land.“

Ronald Schrei­ber, Prä­si­dent der Lan­des­apo­the­ker­kam­mer Thü­rin­gen, machte noch ein­mal klar: „Die Lie­fer­eng­pässe bei lebens­not­wen­di­gen Arz­nei­mit­teln in ganz unter­schied­li­chen Indi­ka­ti­ons­grup­pen sind nach wie vor besorg­nis­er­re­gend und wer­den sich im kom­men­den Herbst und Win­ter noch ver­schär­fen. Die Poli­tik muss end­lich wirk­same Maß­nah­men ver­an­las­sen, um die­sem Not­stand ent­ge­gen­zu­tre­ten! Erheb­lich erschwert wird das Manage­ment der Lie­fer­eng­pässe durch den dra­ma­ti­schen Per­so­nal­man­gel in den Apo­the­ken. Die­ser trägt neben der mas­si­ven staat­li­chen Unterfinan­zie­rung der öffent­li­chen Apo­the­ken erheb­lich zu einem fort­schrei­ten­den Apo­the­kenster­ben in Deutsch­land bei. Wir for­dern eine deut­li­che Erhö­hung der Stu­di­en­platz­ka­pa­zi­tä­ten an der Fried­rich-Schil­ler-Uni­ver­si­tät Jena für Apo­the­ker und der Aus­bil­dungs­ka­pa­zi­tä­ten für Phar­ma­zeu­ti­sche Tech­ni­sche Assistenten!“

Zu Gast waren auch einige Bun­des­tags­ab­ge­ord­nete. Man darf gespannt sein, wie ihre Ein­drü­cke in Ber­lin auf­ge­nom­men werden.

Die offi­zi­elle Ver­laut­ba­rung der Akteure der Demon­s­ta­tion, hin­ter der auch der LFB Lan­des­ver­band der Freien Berufe Thü­rin­gen steht, fin­den Sie hier.

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