Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen fordert: Therapeutische Patientenversorgung stärken! Offener Brief an Bundesgesundheitsminister Lauterbach
Köln, 26. Juni 2023: Das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen legt dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit einem offenen Brief nahe, die Überlegungen zur Reform der Physiotherapie-Ausbildung an Qualität und Effizienz der therapeutischen Patientenversorgung auszurichten und die Versorgungsqualität für alle Patient*innen gleichermaßen sicherzustellen.
Es wendet sich dagegen, zwei Bildungswege für den Beruf der Physiotherapie festzuschreiben, und setzt sich weiterhin dafür ein, dass die Vollakademisierung u.a. in den Berufsgesetzen für die Physiotherapie verankert wird.
Dafür stehe auch die aktuelle Kampagne „Alles nur Fassade“. Das geplante Nebeneinander einer hochschulischen und einer berufsfachschulischen Ausbildung führe zu einer Fehl- und Unterversorgung für einen Großteil der Patient*innen. Damit werde eine neue Art der Zwei-Klassen-Versorgung festgeschrieben, die zu Benachteiligungen der Patientinnen und Patienten führe. Um diese Form der Zwei-Klassen-Versorgung zu verhindern, sei aus Sicht des Bündnisses Therapieberufe an die Hochschulen im ersten Schritt eine vollständige
hochschulische Ausbildung aller Physiotherapeut*innen geboten. Nur so könne eine bestmögliche Versorgung aller Patient*innen bundesweit sichergestellt werden.
Die aktuellen Überlegungen stellten – so das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen – die Ergebnisse aller Evaluationen der hochschulischen Modellstudiengänge in Frage. Denn diese belegten den vom BMG geforderten Mehrwert der hochschulischen Ausbildung durch den Nachweis, dass Therapeut*innen mit erfolgreicher wissenschaftlicher Ausbildung vertiefte und erweiterte Kompetenzen für eine individualisierte, evidenzbasierte therapeutische Versorgung erwerben. Diese Kompetenzen sollten allen Patient*innen und Nutzer*innen therapeutischer Angebote zugutekommen und nicht zufällig oder gar willkürlich im Versorgungssystem verteilt werden.
Die vollständige Akademisierung steigere die Attraktivität des Berufsbildes. Seit Jahren überstiegen die Bewerber*innenzahlen für die primärqualifizierenden Modellstudiengänge das Angebot an Studienplätzen um ein Vielfaches. Das Studium eröffne berufliche Perspektiven in der ambulanten, in der klinischen und integrierten Versorgung, in Lehre, Wissenschaft und Forschung, und zwar direkt und ohne einen Umweg über die berufsfachschulische Ausbildung.
Bei der jetzt geplanten Teilakademisierung handele es sich um ein Reformkonzept, das im Wesentlichen die fachschulische Ausbildung und die (privaten) Schulträger fördere, während für den Auf- und Ausbau von hochschulischen Ausbildungsplätzen bisher keine vergleichbare gesetzliche und finanzielle Unterstützung vorgesehen sei. Das wird eine nicht hinzunehmende Schieflage betrachtet, bei der künftige Fehlentwicklungen vorprogrammiert seien.
Damit der beabsichtigte Akademisierungsprozess in Gang komme, müsste den Ländern eine verbindliche Roadmap mit einem Zeitplan zum Aufbau von berufsqualifizierenden Studiengängen vorgegeben werden. Eine Bereitstellung von Fördermitteln des Bundes zur Entlastung der Länder scheine dabei unerlässlich, sei es doch der Bund, der nach dem Grundgesetz die Verantwortung für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung trage. Nach aktuellem Stand würden die Patient*innen zu Verlierern einer verpassten Ausbildungsreform. Aber noch sei es nicht zu spät, die bisherigen Pläne zu überdenken und die Weichen in Richtung Akademisierung richtig zu stellen.